So oder so ähnlich starten häufig meine Vorträge, die ich oft bei Kammern, Verbänden oder anderen Veranstaltungen zur Unternehmensnachfolge oder speziell zur Unternehmensbewertung halten darf. Seit über 10 Jahren lässt mich das Thema Nachfolge nicht mehr los - es begann eigentlich damit, dass mich eine Kollegin 2013 gefragt hat, ob ich auf dem Weihnachtssymposium an unserer Hochschule nicht einen Vortrag zum Thema "Unternehmensnachfolge als strategische Herausforderung" halten wolle. Ich sagte natürlich ja, und beim Recherchieren viel mir die Kinnlade herunter.
Schnell wurde klar: Deutschland rast mit seiner Wirtschaft auf eine Wand zu, und (fast) keiner kümmert sich drum. Ich war tatsächlich schockiert, dass es zum Thema Nachfolge kaum Informationen und auch kaum Angebote im Netz zu finden gab. Deshalb machte ich kurzerhand zu meiner Aufgabe, hier für mehr Sichtbarkeit und Transparenz zu sorgen.
Mit Partnern gründete ich die mittelständische M&A-Beratung INTAGUS, initiierte gemeinsam mit dem Verband Deutscher Bürgschaftsbanken und Creditreform Rating den Nachfolgemonitor, darf die Deutscher Unternehmerbörse bei der Ermittlung der KMU-Multiples als wissenschaftlicher Koordinator unterstützen und habe die Marke Mittelstandsbroker als M&A-Makler mit aufgebaut.
Aber ich bin noch nicht fertig. Denn das Tal der Tränen liegt vor uns, zwischen 2028 und 2042 wird es vielen zehn- oder gar hunderttausenden mittelständischen Unternehmen nicht gelingen, eine/n Nachfolger/in zu finden oder an einen strategischen Käufer zu einem angemessenen Preis zu verkaufen. Das ist keine pessimistische Prognose, es ist das latent vorhandene Risiko, in das wir jetzt voll hineinlaufen. Denn es tatsächlich eigentlich ganz einfach: Das Angebot an zum Verkauf stehenden Unternehmen wird drastisch ansteigen (Stichwort Babyboomer), die Nachfrage nach Unternehmen immer weiter zurückgehen (Stichworte Pillenknick und Wendeknick). Effekt: Die Preise fallen bis in den Keller.
Weil ich aber davon überzeugt bin, dass wir unseren Wohlstand und auch unser bisher noch wenigstens einigermaßen ausgewogenes soziales System zu großen Teilen unserem besonderen System einer sozialen Marktwirtschaft und einem starken Mittelstand zu verdanken haben, will ich ihn nicht kampflos aufgeben. Denn das ist es, was passieren wird, passieren muss. Mit jedem kleinen oder mittleren Unternehmen, das keine Nachfolge findet und nicht "in die nächste Runde geht", verschwindet ein Teil des Mittelstands auf Nimmerwiedersehen. Die Lücke am Markt wird gefüllt von Konzernen und Großunternehmen, und es wird immer weniger unternehmerische Initiativen geben.
Zum Glück hat sich das Thema Nachfolge allmählich in der Wahrnehmung nach oben gekämpft, aber es gibt immer noch etliche blinde Flecken. Deshalb will ich mit Wassermann/Nachfolge gezielt Einrichtungen unterstützen, die selbst zwar kein eigenes Nachfolgeproblem haben, wohl aber von der Nachfolgelücke betroffen sind. Diese Einrichtungen - Banken, Sparkassen, Branchenverbände, Franchisegeber, Unternehmen mit vielen selbständigen Partnern - dabei zu unterstützen, ihre Kunden, Mitglieder und Geschäftspartner bei deren Nachfolgen effektiv zu unterstützen, ist unser Auftrag.
Es gibt noch viel zu tun, den jetzt gilt: Retten wir, was zu retten ist!
Aber jede Medaille hat zwei Seiten, so heißt es. Bei der Nachfolge ist das Leid des Einen (in unserem Falle: der Übergebenden) die Freude des Anderen (hier: der Übernehmenden). Wer jetzt einsteigt, kann sich eine Unternehmensgruppe zusammenkaufen und wird Umsatzsteigerungen quasi von alleine erhalten, weil ihm die - bitte verzeihen Sie mir die drastische Ausdrucksweise - Konkurrenz wegstirbt. Jetzt gilt es also, die Nachfolge endlich wieder populär zu machen, damit es weitergeht.
Deshalb: Weitermachen!
Holger Wassermann sitzt auf einer Startbahn